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Mittwoch, 19. Mai 2021

Anne Boleyn - Ihr beeindruckender Aufstieg und rasanter Fall


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England in den frühen Morgenstunden am 19. Mai 1536: Für Anne Boleyn beginnen die letzten Stunden ihres Lebens. Nur wenige Tage zuvor wurde sie vor einem Gericht des Ehebruchs und Hochverrats beschuldigt und zum Tode verurteilt. Ein Urteil, welches nicht nur die englische Bevölkerung schockierte, sondern in ganz Europa für Aufsehen sorgte. Erstmals in der englischen Geschichte wird eine Königin hingerichtet. Annes Fall weist ein rasantes Tempo auf und umfasst nur drei Wochen. Sie ist ein Beispiel dafür, dass auf jeden beeindruckenden Aufstieg, oft ein harter, rasant voranschreitender Fall folgt. Nur drei Jahre zuvor bewohnte Anne die gleichen Gemächer im Tower of London, um zur Königin gekrönt zu werden. Ein triumphaler Moment in ihrem Leben, anders am 19. Mai, wo sie nur wenige Stunden von ihrer Hinrichtung trennen. Ich frage mich immer, was Anne Boleyn in diesem Moment durch den Kopf ging. Hat sie ihr Leben noch einmal komplett Revue passieren lassen? Hat sie versucht eine Antwort darauf zu finden, wieso sie sich in dieser Lage befindet? Hat sie an ihre Tochter, die zukünftige Elizabeth I. gedacht? Wir werden es nie wissen, denn es gibt keine Tagebucheinträge von Anne, die uns eine Antwort darauf geben. Augenzeugenberichte geben uns zumindest einen kleinen Einblick, in ihnen wird übereinstimmend von Anne Boleyns Anmut, ihrer Stärke und Courage geschrieben. Sie machen aber auch deutlich, dass schon zu Annes Lebzeiten sie die Mehrheit für unschuldig hielt, obwohl Anne damals wie heute polarisierte
 
Wie in meinem Beitrag über die Darstellung der sechs Frauen in Serien, Filmen und Büchern dargelegt, gilt sie für ihre Feinde als Femme Fatale, die den König von England manipulierte und der jedes noch so schlimme Verbrechen zu Last gelegt wurde, für ihre Unterstützer ist sie eine bemerkenswerte Frau: intelligent, ambitioniert, charmant, vielfältig begabt, aber auch eine Märtyrerin, unschuldig hingerichtet sowie eine treibende Kraft hinter der englischen Reformation. Selbst Historiker*innen können sich nicht auf ein einheitliches Bild einigen. In Bezug auf Anne Boleyns Charakter dürfte die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen. Anne war eine komplexe Frau mit Stärken und Schwächen und gerade ihr für ihre Zeit ungewöhnliches Verhalten hat nicht nur Zeitzeugen irritiert, sondern tut dies noch heute. Anne Boleyn kann nicht auf ein Label reduziert werden und genau das bereitet uns Schwierigkeiten, obwohl gerade dies den Grund für Heinrichs Faszination und Besessenheit darstellte. 
 
Worüber jedoch heute mehrheitlich Einigkeit besteht: Anne Boleyn hat die englische Geschichte geprägt und ist bis heute eine der populärsten Königinnen. Bei alldem bleibt sie ein Mysterium, denn wir wissen kaum etwas über die Frau, die sieben lange Jahre das Interesse des Königs halten konnte. Nicht nur ihr tragisches Schicksal hat eine anhaltende Faszination ausgelöst, sondern es sind auch diese offenen Fragen, die dazu beitragen. Menschen mögen Rätsel und Annes Charakter, ihr Aussehen, aber auch die Umstände ihres Falls geben mehr als ein Rätsel auf. So viele unbekannte Determinanten, die die Lösung der Gleichung unmöglich machen und wie viele andere hoffe ich, dass wir irgendwann auf neue Dokumente, bisher unbekannte Fakten oder auch ein Porträt aus Annes Lebzeiten stoßen, um ein paar dieser Fragen zu beantworten. Bis dahin können wir nur spekulieren und das beginnt schon beim genauen Zeitpunkt ihres Aufstiegs sowie aber auch die Faktoren, die zu ihrem Fall beitrugen. Mein Beitrag kann euch darauf keine abschließenden Antworten geben, sondern umfasst gestützt auf historische Quellen, meine Interpretation der Ereignisse.



 

 Wer war Anne Boleyn?  

 
Die wichtigsten Fakten:
 
Wir wissen nur wenig über Anne, nicht einmal wann sie geboren wurde. Historiker*innen führen eine leidenschaftliche Debatte darüber, ob sie 1501 oder 1507 das Licht der Welt erblickte, denn die Geburt von Mädchen wurde in Tudor-Zeiten nicht dokumentiert. Sie waren weniger wert als Jungen. Eine klare Mehrheit tendiert zu 1501, ein Datum, das aufgrund eines Briefes von Anne am meisten Sinn macht. Dieser wurde von ihr während ihres Dienstes als "Maid-of-honour" am Hofe von Margaret of Austria verfasst, eine Position, die von Mädchen typischerweise ab 13 Jahren begleitet wird. Dass Anne Boleyn mit 6 oder 7 Jahren die Aufgaben einer "Maid-of-honour" übernimmt ist unwahrscheinlich und wäre unüblich. "Anne's letter is self-evidently in the formed hand of at least a teenager" (Ives 2011:15), auch die Ausdrucksweise und der Inhalt lassen darauf schließen. Als Anne und Heinrich sich trafen war sie somit mit großer Wahrscheinlichkeit kein Teenager mehr, sondern um die 26 Jahre alt, was ihr Todesalter 36 machen würde. Auch das ergibt für mich in Bezug auf ihren Fall mehr Sinn. Anne ist eines von drei Kindern von Thomas und Elizabeth Boleyn, dass das Erwachsenenalter erreichte. Was die Reihenfolgeanbelangt so können wir davon ausgehen, dass Mary Boleyn die Älteste war, offenbleibt ob danach Anne und erst dann George folgte oder umgekehrt. Gehen wir mit 1501 als Geburtsdatum, so müsste Anne das mittlere und George das jüngste Kind gewesen sein.

Ein weiterer Mythos, der sich um Anne rankt, ist, dass sie aufgrund ihrer Abstammung nicht geeignet war, um den Titel Königin von England zu tragen. Vor allem in den letzten Jahren konnten Historiker*innen das Gegenteil beweisen. Claire Ridgeway hat dem Thema ein ganzes Video gewidmet, dass Annes Familiengeschichte behandelt. Kurz zusammengefasst: Anne hat einen höheren Stand, als alle Frauen die ihr nachfolgten. Die Boleyns hatten schon vor Annes Aufstieg wichtige Positionen am Hofe von Heinrich VII und im Anschluss dessen Sohn Heinrich VIII inne. Dass sie ihre Ämter also nur durch Annes Aufstieg erhielten, ist falsch. George Boleyn konnte sich schon in den 1520er Jahren als jüngster Botschafter einen Namen machen, Annes Vater Thomas Boleyn war am Hofe respektiert und erklomm die Karriereleiter, ihre Mutter Elizabeth Boleyn diente als "Lady-in-Waiting" für Katherine of Aragon. Für adlige Familien zur damaligen Zeit nichts Ungewöhnliches, genauso wenig wie das Streben nach Macht, Einfluss und Status. Es gehörte einerseits zu den Pflichten von Adligen den Forderungen des Königs nachzukommen, andererseits unterscheidet das die Boleyns nicht von anderen Familien dieser Zeit. 
 
 
 

"I find her so bright and pleasant for her young age that I am more beholden to you for sending her to me than you are to me" - Margaret of Austria über Anne Boleyn
 

In ihrer Jugend diente Anne einerseits am Hofe von Margaret of Austria, danach folgte zu einem unbekannten Zeitpunkt Henrys jüngere Schwester Mary Tudor 1514 nach Frankreich, wo diese den 52-jährien König Ludwig XII. heiratete. Aufgrund des hohen Alters wurde ihr die Ehre Königin von Frankreich zu sein nur für drei Monate zu Teil, wobei in diesem Fall eher von Glück die Rede sein muss, denn zur Zeit der Vermählung war Mary Tudor gerade einmal 18 Jahre alt. Während Mary Tudor nach dem Ableben des französischen Königs nach England zurückkehrte und davor noch heimlich ihre große Liebe Charles Brandons heiratete (you go girl), blieb Anne in Frankreich und diente der neuen Königin Claude bis 1521. Ihre Zeit im Ausland hat Anne geprägt und hilft uns viele ihrer Handlungen als Königin zu verstehen. Zum einen ihre Bestrebungen die Reformation voranzutreiben, zum anderen aber auch in der Art und Weise wie sie ihre Rolle als Königin verstand und warum sie eine Allianz mit Frankreich anvisierte.



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Anne Boleyn - Ihr beeindruckender Aufstieg:

 
 
1. Catching the King's Eye:
 
Wann und wie Anne Boleyn die Aufmerksamkeit von Henry VIII erregte, ist unbekannt, genauso wenig, ob Anne von Anfang an Gefühle für den König hegte. Wir wissen, dass sie im März 1522 in einem Theaterstück an der Seite ihrer Schwester und Mary Tudor die Rolle der "Ausdauer" spielte, eine Eigenschaft die Anne treffend beschreibt. In "The Tudors" ist es dieser Auftritt, mit dem ihre Beziehung beginnt. Ein Moment, der sich für eine Serie anbietet, aber für den es in der Realität keine Belege gibt. Die Liebesbriefe von Henry an Anne deuten darauf hin, dass ihre Beziehung im Sommer 1527 an Fahrt aufnahm, ihren Ausgangspunkt somit wahrscheinlich 1526 hatte (Ives 2011:90). Zunächst lehnte Anne Henrys Avancen ab, zog sich sogar nach Hever Castle - ihr Familienanwesen - zurück, um ihm aus dem Weg zu gehen. Dass kann man nun als kalkulierten Move interpretieren oder aber als Flucht und Selbstschutz. Wir wissen, dass Henry in dieser Zeit Anne mindestens 17 geschrieben hat (Fun Fakt: Henry hasste es Briefe zu schreiben, dafür sind das doch einige), die seine Gefühle aufzeigen und in denen er sie zunächst bittet seine Mätresse zu werden, ihr dann die Position als "einzigen Mätresse" anbot, um ihr letzten Endes die Ehe zu versprechen.  
 
 
 
Anne Boleyn konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, welch Konsequenzen dies nach sich ziehen würde, genauso wenig wusste sie, um die Möglichkeit Katherine of Aragon zu ersetzen.
 
 
Annes Antworten auf Henrys Brief sind im Verlauf der Geschichte verloren gegangen oder noch nicht entdeckt worden, ich hoffe natürlich auf letzteres. Immer wieder gibt es Historiker*innen, die behaupten, dass sie aus Heinrichs Briefen Annes Antworten ableiten können, das ist aber Nonsens. Fakt ist: Die Briefe existieren für uns nicht, wie Anne reagiert hat, ist reine Spekulation und ein Produkt der eigenen Fantasie, aber kein Beweis für irgendeine Theorie. Aus Heinrichs Briefen lässt sich nur ableiten, dass Anne ihm nicht die von ihm erwünschte Antwort gegeben und die Position als Mätresse abgelehnt hat, was Henry widerum noch mehr anspornte. Anne wird deshalb häufig nachgesagt, dass sie den König bewusst manipulierte und schon zu diesem Zeitpunkt auf die Krone spekulierte. Vergessen wird dabei, dass es keinen Präsendenzfall dafür gab. Anne Boleyn konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, welch Konsequenzen dies nach sich ziehen würde, genauso wenig wusste sie, um die Möglichkeit Katherine of Aragon zu ersetzen, deren sozialer Rang als ausländische Prinzessin und Tante von Charles V, ihr nicht nur Sicherheit sondern auch Einfluss verschaffte. Das macht auch die Theorie, dass sie von ihrem Vater und Onkel dazu angeregt wurde Heinrich zu manipulieren hinfällig. Beweise gibt es dafür bis heute nicht und wie gesagt: Die Familie Boleyn war bereits am Hofe in wichtigen Positionen etabliert und respektiert. Doch was kann Annes Antwort erklären? Wahrscheinlich hat Anne aus den Erfahrungen ihrer Schwester gelernt, diese soll die Mätresse zweier Könige gewesen sein - Francis I. und Henry VIII (wobei nur letzteres aufgrund eines Kommentars von Henry bestätigt ist), deren Reputation dadurch zerstört wurde.





2. Das Ausbleiben männlicher Erben:

Doch wieso hat Anne eine so große Faszination auf den König ausgeübt? Zum Einen weil sie ihn abwies, etwas was Henry VIII einfach nicht gewohnt war. Denken wir an den englischen König, so sehen haben wir das Bild eines übergewichtigen Tyrannen mit einer hässlichen Wunde am Bein. Doch in jungen Jahren galt er als charmant, attraktiv, charismatisch und großzügig. Er war athletisch, musikalisch begabt und beeindruckte die intelligentesten Köpfe seiner Zeit. Übrigens finde ich nicht, dass die tyrannische Seite von Henry VIII zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht vorhanden war. Sie ist definitiv noch nicht so präsent, kam aber regelmäßig zum Vorschein, etwas was auch Thomas More oder auch Francis I. anmerkten. Konkrete Beispiele dafür sind sein Umgang mit Katherine of Aragon während der Verhandlungen zur Aufhebung ihrer Ehe, wo er ihr jahrelang den Kontakt zu ihrer eigenen Tochter untersagte, um sie zu brechen. Die Verurteilungen von Thomas Moore, einem seiner engsten Vertrauten, als dieser ihn nicht als Oberhaupt der Kirche akzeptierte und Thomas Wosley, als es diesem nicht gelang sein "Great Matter" (die Scheidung) zu lösen. All das zeigt schon, was später noch deutlicher zutage tritt: Sobald Henry jemanden nicht mehr benötigt, entledigt er sich auch seinen engsten Vertrauten und das mit aller Härte. Und sobald jemand Henrys Stolz verletzt oder sich nicht seinem Willen beugt, so schlägt dieser auf fatale Weise zurück. Wenn das nicht tyrannisches Verhalten ist, was dann? Schon damals waren die negativen Charaktereigenschaften sichtbar: Sein Größenwahn, sein Stolz sowie die Fähigkeit seinen eigenen Lügen zu glauben. 
 
Zum anderen war Anne für Heinrich aber auch deshalb eine vielversprechende Alternative, weil Katherine of Aragon sich in einem Alter befand (39 Jahre), indem nicht mehr mit einer Schwangerschaft zu rechnen war. Das Problem: Bislang hatte Henry nur einen einzigen Sohn, illegitim. In seinen Augen hat er also seine eigentliche Aufgabe, die Sicherstellung der Dynastie nicht erfüllt. Diejenigen unter euch, die schon einmal etwas von den Tudors gehört haben, wissen vielleicht, dass KoA Henry lediglich eine Tochter schenkte. Ihre Ehe war somit nicht kinderlos, trotzdem beruhte die Annullierung auf der "Kinderlosigkeit der Ehe, die damit einhergeht wenn ein Mann die Witwe des Bruders eheliche". KoA war die Witwe von Heinrichs Bruder Arthur, beteuerte aber bis zum letzten Tag, dass die Ehe niemals vollzogen worden sei, wodurch Heinrich eine "Papal Dispensation" einholte, um sie zu ehelichen. 
 
Für Heinrich war jedoch klar, dass nur ein Junge ihm auf dem Thron folgen kann. Sein Wunsch nach einem männlichen Erben ließ schon bald den Wunsch nach einer Scheidung aufkeimen und das wahrscheinlich lange bevor die Beziehung mit Anne anfing - "when it was that Henry reached the conclusion that Katherine must go, we do not know. There are stories that he was thinking of a divorce as early as 1522, but the actual date was probably after June 1525, when he (...) [created] his illegtimate Child (...) Duke of Richmond" (Ives 2011:83). Mit letzterem sendete Henry ein eindeutiges Signal, denn sein illegitimierter Sohn stand nun in der Thronfole über seiner Tochter mit Katherine of Aragon. Susan Bordo erwähnt sogar ein noch früheres Datum: 1514 - as early as August 1514, it was rumored in Rome "that the King of England means to repudiate his present wife (...) and his brothers widow, because he is unable to have children by her (...)" But then, in 1516 the Princess Mary was born" (2013:21).
 
 
 
 
 
 “Her unusual dark hair and sultry eyes made her stand out--- Anne Boleyn was Tudor England's Angelina Jolie amid a sea of Reese Witherspoons.” - Kris Walderr (Doomed Queens, S. 101)
 
 
 
 
3. Anne stach am Hofe hervor:
 
Dass seine Wahl als neue Ehefrau auf Anne fiel ist Anne selbst zuzurechnen. Es war ihr Charakter, der Henry faszinierte. Sie galt als exotisch, da ihr Äußeres nicht dem Schönheitsideal der Zeit entsprach: die blasse englische Rose mit blondem Haar. Anne verfügte über eine elegante Figur mit dunklen Haaren, d.h. sie könnten entweder Schwarz oder Brünett gewesen sein, olivfarbene Haut, Muttermalen am Körper, hohe Wangenknochen und einem ovalen Gesicht. Immer wieder betonen Zeitzeugen ihre dunklen Augen als Annes attraktivstes Merkmal - "her eyes, which she well knew how to use. In truth such was their power that many a man paid his allegiance" (Lancelot de Charles, französischer Diplomat zitiert aus Weir 2007:151). Sie war aber keine perfekte Schönheit, so soll sie an einem Finger einen sechsten Fingernagel gehabt haben, jedoch kaum sichtbar. Ihre Feinde machten daraus einen sechsten Finger - so geht Propaganda zu Zeiten der Tudors.
 
Ihre Zeit am französischen Hofe spiegelte sich nicht nur in ihrem Kleindungstil (#Trendsetter, denn Annes Stil wurde am englischen Hofe tatsächlich vielfach kopiert), sondern auch in ihrem Verhalten wider: Sie wurde von Zeitgenossen nicht als englisch, sondern als französisch wahrgenommen, vielleicht auch weil sie einen französischen Akzent hatte. Anne war intelligent, ehrgeizig, politisch interessiert und eine Meisterin im Spiel der höfischen Liebe, auf der anderen Seite war sie aber auch eifersüchtig, gemein, temperamentvoll und sprach oft unüberlegt. Dazu hat sie mehrere Sprachen gesprochen, besaß musikalisches und tänzerisches Talent und einen dunklen Humor. Anne hatte das gewisse Etwas. Heute sagen wir dazu wir Charisma und das hat Heinrichs Obsession mit ihr genährt. Sie begegneten sich auf Augenhöhe, diskutierten miteinander und teilten viele gemeinsame Interessen, wie ihre Liebe fürs Tanzen, Jagen, Reiten und Karten spielen, aber auch Ansichten v.a in Bezug auf die katholische Kirche (Bordo 2013: 44).  
 
 
"In the divorce, Anne and Henry were one. They debated it and discussed it; they exchanged ideas and agents, they devised strategies (...) and the did all this together. (...) and Anne (...) frequently took the initative" - David Starkey 2009:185
 
 
Vieles spricht dafür, dass Anne Henrys gleichberechtigte Parternin war - "In the divorce, Anne and Henry were one. They debated it and discussed it; they exchanged ideas and agents, they devised strategies (...) and the did all this together. (...) and Anne (...) frequently took the initative" (Starkey 2009:185). Sie war keine Marionnette, deren Strippen von ihrer Familie gezogen wurden und es ist auch zu einfach, sie als Opfer zu charakterisieren. Ich denke, dass Anne genau wusste, welche Gefahren am Hofe lauern, dass ihre politischen Ambitionen aber größer waren als die Angst vor den möglichen Konsequenzen. Wie heißt es in "GoT" so schön: Beim Spiel um den Thron gewinnst du entweder oder du verlierst. Anne war zwar lange Zeit eine Meisterin im alles entscheidenden Spiel, am Ende zahlte sie jedoch den höchsten Preis dafür. Bis zu ihrem Fall ist Annes Einfluss über Heinrich jedoch gut dokumentiert und wird von Zeitzeugen immer wieder erwähnt:
 
  • 'the king cannot leave her for an hour' (Chapuys, spanischer Botschafter am Hofe Heinrichs VIII)
  • 'He accompanies here everywhere (...) and (...) gladly fulfilled all her desires (...)" (Venezianischer Abgesandter)
  • 1532 verlieh Henry Anne den Titel der Marquees of Pembroke, "making her the first female englisch commoner known to become a noble in her own right by creatin, rather than inheritance" (Gosine via the Anne Boleyn Files
  • Annes Rolle beim Fall von Wolsey ist heute ebenfalls gut dokumentiert und analysiert.




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Anne Boleyn - Ihr rasanter Fall:



"She had been a remarkable women. (...) There were few others who rose from such beginnings to a crown, and non contributed to a revolution as far-reaching as the englisch Reformation. (...) Anne Boleyn was one of the 'makers of history'. (...) A women in her own right - taken on her own terms in a man's world; a woman who mobilized her education, her style and her presence to outweigh the disadvantages of her sex (...) taking a court and a king by storm". - Ives 2011: 359.



1. Annes politischer Einfluss:
 
Ironischerweise waren es die Eigenschaften, die Heinrich einst an Anne bewunderten, die am Ende zu ihrem Fall beitrugen. Annes unverblümte und direkte Art, ihr Temperament und ihre Einmischung in die Politik am Hofe machten sie als potenzielle Mätresse reizvoll, als Königin aufgrund der damaligen Rollenanforderungen jedoch ungeeignet. Von Königinnen wurde einerseits Gehorsamkeit erwartet, d.h. dass sie sich ihrem Ehemann und König unterordneten sowie bei Affären des Königs schweigend wegschauten, dies forderte auch Heinrich von Anne. Andererseits hatten sie sich nicht in die politischen Belange des Königs einzumischen, sondern vollkommen auf ihre zentrale Aufgabe zu konzentrieren: Das Gebären eines männlichen Erbens. Annes und Heinrichs Ehe war deshalb von einem ständigen Auf und Ab geprägt, auf heftige Auseinandersetzungen folgte eine leidenschaftliche Versöhnung. Solange es Anne gelang Heinrichs Interesse zu halten und stets erneut dessen Gunst zu gewinnen, war ihre tumulte Beziehung kein Problem. Durch ihre politische Einmischung hatte sie sich jedoch zahlreiche Feinde gemacht, die nur darauf lauerten, sie mit einer in ihren Augen geeigneteren Kandiatin zu ersetzen. Heinrichs Hof inkludierte damals zwei konkurrierende Fraktionen: Die Katholiken, die sich hinter Katherine of Aragon und ihre Tochter Mary stellten und die Anhänger der Reformation, die die Boleyns unterstützen. Anne geriet somit mitten in einen langsam beginnenden Glaubenskrieg, der sich unter der Regierung von Heinrichs Kindern entladen würde. 
 
Als ein Schlüsselmoment für ihren Fall wird von Historiker*innen ein Streit mit Cromwell über die Verteilung der Gelder aus der Auflösung der Klöster gewertet, bei dem Anne ihrem einstigen Verbündeten drohte. Während Cromwell das Geld in die Tasche des Königs fließen ließ, plädierte Anne dafür es für wohltätige Zwecke sowie für Bildung einzusetzen. Übrigens ein weiteres Beispiel dafür, wie involviert Anne bei den Vorgängen rund um die Reformation war. Der Streit ereignete sich kurz bevor die offiziellen Untersuchungen begannen und laut Chapuys habe Cromwell ihm erzählt, dass "she [Anne Boleyn] would like to see his head cut off" (601. Chapuys to Charles V. aus "Letters and Papers, Foreign and Domestic, Henry VIII, Volume 10, January-June 1536"). Ich denke nicht, denn mit Blick auf Anne und Heinrichs Beziehung sowie dem Wissen, um Wolsey und Moore, dürfte Cromwell die Gefahr um Annes Worte bewusst gewesen sein. Darüber hinaus präferierte Anne eine Allianz Englands mit Frankreich, immerhin hat sie ihre Jugend am französische Hofe verbracht, Cromwell liebäugelte hingegen mit Spanien, welches von KoAs Neffen regiert wurde - Anne stellte somit ein aktives Hindernis dar. Cromwell dürfte aber auch gespürt haben, dass die Dinge am Hofe begannen sich zu ändern und eine neue Familie auf der Bildfläche erschien, die Seymours. Aber auch abseits von Cromwell ist die Liste von Annes Feinden, aufgrund ihres Einflusses über den König, lang und beinhaltet Adlige wie Charles Brandon, Henry Fitzroy, Eustace Chapuys oder die Seymours.






2. Anne konnte Henry VIII keinen Sohn gebären:
 
Sicherlich war Anne bewusst, dass sie als Königin erst dann unantastbar ist, wenn sie Henry einen männlichen Erben schenkt. Was Anne 1527 nicht ahnen konnte: Sie wird daran scheitern. Anstatt eines Jungen zeugten Anne und Henry ein Mädchen, die zukünftige Elizabeth Tudor, die zwar das goldene Zeitalter in England einläuten würde, für Heinrich aber genauso wie seine erste Tochter als Herrscherin ungeeignet war. Der Mythos, dass Anne Elizabeth deshalb nicht geliebt hätte, ist übrigens mittlerweile wiederlegt, denn es gibt reichlich Hinweise, dass sie eine enge Bindung hatten. Anne trat damit jedoch ungewollt in die Fußstapfen ihrer Vorgängerin, denn nach der Geburt von Elizabeth erlitt sie mehrere Fehlgeburten - wie viele genau, auch darüber kann nur spekuliert werden, bekannt sind 3. 
 
Die letzte Fehlgeburt ereignete sich nur wenige Monate vor ihrem Fall am 29. Januar 1536, gleich zwei Quellen belegen, dass der Fötus männlich gewesen sei, wobei dies aufgrund der medizinischen Kenntnisse der damaligen Zeit mit Vorsicht zu genießen ist. Vielleicht habt ihr aber schon öfter die englische Aussage: "She miscarried of her saviour" im Zusammenhang mit der Fehlgeburt gelesen habt. In der Tat wäre das Kind Annes Rettung gewesen. Hätte Anne Henry einen männlichen Erben geschenkt, hätte Heinrich sich ihr nicht entledigen können, sie wäre dann die Mutter des nächsten Königs von England gewesen, während Heinrich voller Glück über seinen Nachfolger wahrscheinlich auch relativ schnell das Interesse an Jane Seymour verloren hätte. Was diese Fehlgeburt aber so explosiv machte: Ein paar Tage früher elitt Henry einen Unfall bei einem Turnier, wie schwer können wir heute nicht mit Gewissheit sagen, aber dies dürfte ihm vor Augen geführt haben, dass er dringend einen männlichen Erben benötigt, um die Zukunft seiner Dynastie zu sichern. In Zeiten der Tudors wurde eine Fehlgeburt der Frau angelastet, nicht dem Mann, es war somit Anne, die Schuld an Henrys Misere hatte und wie auch bei KoA gingen seine Gedanken in die Richtung, dass Gott ihm erneut einen männlichen Erben verwehre und Anne ihm keine Kinder mehr schenken würde. Hier kommt noch einmal das Alter von Anne zum Tragen, denn mit Ende 20 wäre sie noch in der Lage gewesen weitere Kinder zu bekommen und Henry hätte daran nicht gezweifelt, mit 36 sähe dies schon anders aus.
 
 
 
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3. Henry's wanderndes Auge gekoppelt mit Tratsch am Hofe:
 
Es ist unmöglich Annes Fall auf einen Grund herunterzubrechen, vielmehr ist es eine Verkettung mehrerer Ereignisse, die ihr tragisches Ende herbeigeführt haben. Er kann politisch erklärt werden, hinzu kommt das Ausbleiben eines männlichen Erbens, letztlich wird aber auch Henry's wanderndes Auge und der Tratsch am Hofe für Anne zu einem Problem. Hier wird ein Muster deutlich, dass sich durch alle Beziehungen von Henry zieht und das dazu führt, dass Anne nun das Gleiche Schicksal ereilt wie Katherine of Aragon. Denn Henry hat Jane Seymour ins Auge gefasst. Inwieweit er am Anfang schon daran dachte Anne zu ersetzen, können wir nicht mehr nachvollziehen. Jane lehnte Henrys Annäherungsversuche ab - wendete somit genau die gleiche Taktik wie Anne an - und wurde darin von ihrer Familie geschult . Von Chapuys wissen wir zudem, dass sie Henry auf die Unbeliebtheit von Anne sowie seine Ehe im Ganzen hinwies: 
 
 
"[Jane Seymour has been] well tutored and warned (...) not (...) to give in to the King's fancy unless he makes her his queen (...). She has also been advised to tell the King boldly how his marriage is detested by the people, and none consider it lawful" (601. Chapuys to Charles V. aus "Letters and Papers, Foreign and Domestic, Henry VIII, Volume 10, January-June 1536"). 
 
 
 
Anders als Anne wusste Jane zu diesem Zeitpunkt, dass es möglich ist eine Königin zu ersetzen, was sie aber nicht ahnen konnte, wie Henry sich seiner aktuellen Ehefrau entledigen würde. Henrys zunehmende Begeisterung für Jane Seymour ist aber noch aus einem anderen Grund ein wichtiges Indiz, denn sie verkörperte das genaue Gegenteil von Anne. Anne hatte dunkle Haare und olivfarbene Haut, Jane war die klassische englische Rose (blass, blondhaarig). Anne war temperamentvoll, Jane demütig. Anne galt als agressiv in ihrem Auftreten, Jane als sanftmütig. Und viel wichtig: Jane war zu diesem Zeitpunkt sieben oder acht Jahre jünger als Anne, somit in einem Alter, wo sie noch problemlos mehrere Jahre Kinder zeugen konnte. All dies deutet in meinen Augen daraufhin, dass Henry Anne müde geworden ist, dass er die Charaktereigenschaften, die er an Anne eins faszinierend fand, nun ablehnte.

Doch auch die Gerüchteküche am Hofe, die ein fester Bestandteil des alltäglichen Lebens bildeten, dienen als Katalysator für Annes Fall. Gerüchte über Anne gab es von Anfang an, der Unterschied zwischen 1527 und 1536 ist, dass Heinrich nun beschließt auf die Gerüchte zu hören. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass er tatsächlich aktiv nach einem Weg suchte, um die Ehe zu beenden und ihm diese deshalb gerade recht kamen. Eine andere, dass mit steigender Unzufriedenheit mit Anne sein Ohr anfälliger wurde für all die Geschichten, die ihm von Annes Feinden zugetragen wurden. Auch hier: Wir können es nicht wissen, denn leider könnte uns nur Henry beantworten, welche der Theorien richtig ist. Mit Blick auf den Strippenzieher hinter Annes Fall - Cromwell - kann ich mir aber nicht vorstellen, dass dieser von allein Annes Ende herbeigeführt und nicht auf Geheiß des Königs gehandelt hat. 
 
Denn hätte er Heinrich falsche Beweise für Annes angeblichen Ehebruch und Hochverrat unterbreitet, dann wäre er und nicht Anne hingerichtet worden. Bis heute können wir jedoch nicht klären, welche der beiden Theorien nun stimmt: Cromwell als alleiniger Innovator hinter dem Fall von Anne Boleyn oder Cromwell, der auf Bitte des Königs aktiv wurde. So oder so spielte Cromwell bei Annes Fall eine herausragende Rolle und sein Verhalten zuvor macht deutlich, dass er sich von Anne abgewandt hatte: Er suchte sowohl den Kontakt zu den Seymours als auch Chapuys, beides erklärte Feinde von Anne Boleyn. Dazu befeuerte auch Anne mit ihrem eigenen Verhalten die Gerüchteküche und belastete sich selbst. All dies wurde im Prozess gegen sie verwendet wurde, denn ab dem Moment als sie am 30. April verhaftet und in den Tower of London gebracht wurde, wurde sie rund um die Uhr bespitzelt. Unwissend über diesen Umstand versuchte Anne herauszufinden, wieso sie sich in dieser Lage befindet und reflektierte ihr Verhlaten der letzten Monate. In einem Zustand von Schock und Panik, belastete sie z.B Henry Norris.


"Anne had been verbally jousting with Norris about his constant presence in her appartments and had chided him for "looking for dead mens shoes, for augth should come to the king but good, you would look to have me". (....) Norris (...) replied (...) "if he should have any such thought, he would his head were off" (Bordo 2013:98). 
 

Ein Gespräch, dass in unserer Zeit harmlos ist, aber nicht zu Annes Lebzeiten. Damit haben beide Hochverrat begangen, da sie mit Worten den Tod des Königs fantasierten. Weiterhin belasteten auch Annes "Ladies-in-Waiting" die Königin, um welche Frauen es sich genau handelt, wird bis heute spekuliert. Oft wird Jane Boleyn als diejenige genannt, die am Ende den fatalen Hinweis lieferte, Claire Ridgway liefert jedoch eine nachvollziehbare Argumentation, wieso diese Annahme falsch sein könnte. Als Beweise für Annes Vergehen wurde ein Gespräch mit ihrer Schwägerin angeführt, indem sie "mocked the king the king for beeing unskilled and having 'neither potency nor vigor' in bed" (ebd.:100), während eine andere "Lady-in-Waiting" ihr eigenes Verhalten mit der Aussage "it was little in her case in comparison with the Queen" (ebd.:101) kommentierte.


Anne hingegen schien zu ahnen, dass im Verborgenen etwas vor sich geht, zumindest gibt es zwei Vorfälle, die diesen Eindruck erwecken:
  • Am 26. April rang Anne ihrem Kaplan Matthew Parker ein Versprechen ab: Sollte ihr etwas zu stoßen, so solle er sich um ihre Tochter Elizabeth kümmern.
  • Durch einen weiteren Augenzeugenbericht wissen wir zudem, dass es nur einen Tag vor Annes Verhaftung zu einer Auseinandersetzung zwischen ihr und Henry kam. Auf ihrem Arm hatte sie die kleine Elizabeth, beide wirkten aufgeregt und verärgert. Was genau sie besprochen haben, ist uns nicht bekannt.






Die Anschuldigungen gegen Anne Boleyn:

Doch was wird Anne zu Last gelegt? Ich habe es in diesem Beitrag schon mehrfach vage erwähnt. Erstens Hochverrat, d.h. dass sie den Tod des Königs geplottet hat bzw. diesen sprachlich angegriffen hat. Zweitens Ehebruch mit insgesamt fünf Männern, einer davon ihr eigener Bruder, was die Anschuldigung Inzest erklärt. Neben George Boleyn soll sie Affären mit Mark Smeaton (Musiker), Henry Norris (einer der engsten Vertrauten des Königs), Francis Weston und William Bereton vorgeworfen. Thomas Wyatt (Dichter) und Richard Page wurden zwar ebenfalls des Ehebruchs mit Anne beschuldigt, jedoch freigesprochen. Für viele vielleicht eine Überraschung, sie wurde nicht der Hexerei angeklagt, auch wenn uns dies in Filmen und Büchern häufig begegnet.
 
 
 
 
Waren Anne und die mit ihr verurteilten Männer nun schuldig?
 
 
"The charges, evidence, and outcome were being discussed, it had become the topic of the day (...). Charge by charge, the dinner guests took apart evidence and found it lacking, concluding that "no probable suspicion of adultery could by collected; and therefore there must have been some other reasone which moved the king" (...)" - Bordo 2013:137
 
 
Mittlerweile gibt es in Bezug auf die Schuldfrage einen eindeutigen wissenschaftlichen Konsens, dass Anne und die verurteilten Männer unschuldig waren. Dies hat mehrere Gründe:

  1. Die Härte der Anschuldigungen, die Annes Ruf nachhaltig schaden und Heinrich als Opfer darstellten sollten sowie das rasante Tempo von nur drei Wochen, innerhalb derer die Verhaftungen, Befragungen, die Prozesse und Hinrichtungen erfolgten. Hierbei ist es wichtig zu wissen, dass Prozesse zu Zeiten der Tudors nicht mit unseren heutigen rechtsstaatlichen Prozessen zu vergleichen sind. Es handelte sich dabei um Show-Prozesse, deren Urteil von Anfang an feststand. Die Jury lieferte dem König was er hören wollte. Die Beweise gegen die Beschuldigten würden wir heute als Indizien bezeichnen, Zeugen gab es keine. Auch wussten die Angeklagten bis zu ihrem Prozess nicht, was ihnen genau vorgeworfen wurde, weshalb keine Zeit für eine vorherige Ausarbeitung einer Verteidigung blieb.
  2. Eric Ives gelingt es in seinem Buch "The Life and Death of Anne Boleyn" aufzuzeigen, dass 3/4 der genannten Daten an denen Anne Henry betrogen haben soll widerlegt werden können. Anne oder die jeweiligen Männer waren entweder zum genannten Zeitpunkt über nicht an den jeweiligen Orten oder es war nur einer der Beschuldigten anwesend, nicht aber Anne oder umgekehrt. Wenn sich tatsächlich beide Parteien dort aufhielten, wäre es Anne oft trotzdem unmöglich gewesen den Ehebruch zu begehen. 
  3. Denn Königinnen waren damals selten allein, sie hatten konstant Bedienstete um sich, was es unmöglich machte, einfach mal für mehrere Stunden von der Bildfläche zu verschwinden. Allein hätte Anne besagte Treffen auch gar nicht einfädeln können, die Dokumente benennen aber keine Person, die ihr geholfen hat. Katherine Howard, die fünfte Frau von Henry VIII, die ebenfalls des Ehebruchs beschuldigt und zum Tode verurteilt wurde, kann hier als Beispiel fungieren. Sie benötigte die Hilfe von Jane Rochford, um sich mit Culpebber zu treffen und obwohl Jane Schmiere stand, wurden die Treffen schnell bemerkt und Henry in einem anonymen Brief informiert. Wie Anne also über einen Zeitraum von fünf Jahren gleich mit fünf Männern ein Verhältnis hatte, wirft einige Fragen auf, die im Prozessverlauf nicht beantwortet werden. 
  4. Nur Mark Smeaton (laut Zeitzeugen. nachdem er gefoltert wurde) gesteht, alle anderen einschließlich Anne plädieren auf nicht schuldig und widerrufen dies auch zu keinem Zeitpunkt. Anne betont sogar in ihrer letzten Beichte ihre Unschuld, im damaligen Glauben hätte sie mit dieser Lüge ihre Seele verdammt, auch bei ihren jeweiligen Hinrichtungen erfolgen keine Schuldgeständnisse. 
  5. Schon damals glaubte kaum einer an die Unschuld der Verurteilten, selbst Chapuys, einer von Annes erbitterten Feinden schreibt folgendes: "all the commoners, except Smeaton, were condemmend not on evident but appaerances" (Ives 1972:171). Die Inzest-Anklage wurde z.B. darüber bewiesen, dass Anne mit ihrem Bruder tanzte, ihm über ihre Schwangerschaft informierte (wow, schocking), Zeit allein mit ihm in ihren Gemächern verbrachte und ihn öffentlich küsste. Letzteres war in Tudor-Zeiten ganz normal und die Norm. (Ives 2011:348f.)
  6. Die verurteilten Männer waren allesamt Feinde von Cromwell, etwas was gerne übersehen wird, denn er hat mit einem Schlag die gesamte Boleyn-Fraktion am Hofe ausgelöscht.,
  7. Darüber hinaus wurde der Scharfrichter schon vor Annes Prozess von Calais nach England geholt, was die Theorie des Showprozesses bestätigt und Heinrich hat sofort nach Annes Verhaftung Pläne für seine Hochzeit mit Jane Seymour geschmiedet, welche er tatsächlich nur 10 Tage nach Annes Hinrichtung ehelichte. Schon damals ein Skandal. 

 



Literaturverzeichnis:

Bordo, Susan 2013: The Creation of Anne Boleyn. A new look at England's most notorious Queen.
Ives, Eric 2011: The Life and Death of Anne Boleyn. Oxford: Blackwell Publishing
Ives, Eric 1972: Factions at the court of Henry VIII: The Fall of Anne Boleyn. In: History. 57: 190. S. 169-188.
Starkey, David 2009: Six Wives: The Queens of Henry VIII. New York: Harper Perennial
Weir, Allison 2007: The Six Wives of Henry VIII. New York: Vintage Verlag
Falls ihr gerne die Briefe übersetzt ins moderne Englisch lesen möchtet, ihr findet sie hier alle sortiert und geordnetet frei zugänglich aufgelistet. Da könnt ihr dann auch den von mir zitierten Brief von Chapuys in voller Länge lesen.




Wer von euch hat schon von Anne Boleyn gehört?
Welche historische Persönlichkeit findet ihr interessant?
Oder findet ihr Geschichte langweilig?


4 Kommentare :

  1. Oh wow, was für ein informativer und interessanter Text!
    Ich habe eine Freundin, die zu Schulzeiten total begeistert von Anne Boleyn war und daher wirklich alles über sie verschlungen hatte. Entsprechend viel habe ich davon auch mitbekommen, aber ich wusste zum Beispiel noch nicht, dass man mittlerweile zu dem Schluss gekommen ist, dass sie wohl unschuldig war.
    Sie war schon echt eine faszinierende Person!

    Danke dir für deine lieben und schönen Worte zu meinen letzten Fotos. :)
    Oh ja, so was erwartet man wirklich gerade nicht in München (bei den Preisen und dem Platzmangel). Der Garten hat mich komplett überrascht.

    Das mit den Klischees in Filmen und Serien ist ja echt so eine Sache; ich gebe dir da auch absolut recht! Anfangs stört mich das alles immer noch nicht so sehr, aber es kommt dann halt darauf an, wie viel Zeit die Serie zur Verfügung hat und was sie draus macht.
    Da versagen dann ja manche dennoch! XD Aber manche Klischees haben halt auch durchaus ihren wahren Ursprung und na ja... ich finde es kommt auch immer etwas darauf an, was für ein Genre man gerade schaut. Von was seichtem, erwarte ich auch gar nicht, dass sie sonderlich tiefgründig bei den Charakteren vorgehen...

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    1. Dankeschön für dein liebes Kompliment und das Kommentar, das freut mich bei diesem Beitrag über Anne Boleyn ganz besonders. Da ist nämlich viel Arbeit dahinter gewesen.

      Diese Erkenntnis ist echt Prof. Eric Ives zu schulden, deshalb empfehle ich auch seine Biografie immer, weil er sich tatsächlich die Arbeit gemacht hat und die Anschuldigungen untersucht und somit eben belegen konnte, dass 2/3 schon aufgrund der physischen Abwesenheit der Beschuldigten oder aufgrund einer Schwangerschaft von Anne zu diesem Zeitpunkt gar nicht möglich waren. Er hat wirklich viele Mythen rund um Anne entlarvt.

      Bei Rom Coms erwarte ich das ehrlich gesagt auch nie. Viele Kritiker tun das ja, dementsprechend fallen dann auch die Bewertungen aus. Aber ich versuche da auch immer zu schauen, was ist das Genre, was soll mit dem Film erreicht werden und Rom Coms wollen jetzt ja auch gar nicht tiefgründig sein. Sicherlich gibt es da Ausnahmen von der Regel, aber viele wollen halt unterhalten und für Ablenkung sorgen und das ist doch total okay.

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  2. Hi Nicole,
    natürlich habe ich von Anne Boleyn gehört, habe schließlich auch The Tudors gesuchtet und fand die Geschichte dahinter ebenfalls immer sehr spannend. Daher finde ich es megastark, dass du ihre Geschichte hier so umfangreich und detailliert mit deinem Wissen aufgearbeitet hast - danke!! Welches von den Büchern aus dem LV fandest du denn am besten oder kannst du das so gar nicht sagen?
    Liebe Grüße!

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    1. Dankeschön für dein liebes Kommentar Vanessa,
      The Tudors war ja auch mein Beginn für die Faszination um Anne Boleyn, vor allem halt durch Staffel 2, wo sie dann auch in der Serie menschlicher wird und Facetten erhält. Natalie Dormer hat das dann so gut gespielt, dass ich unbedingt Annes Geschichte wissen wollte. Mittlerweile ist diese Faszination auf viele weitere Personen aus der Zeit der Tudors übergesprungen. Mit Catherine Howard möchte ich mich zB auch mehr beschäftigen, ihr wurde ja besonders viel Unrecht in der Vergangenheit zu Teil. Gibt ja nun zum Glück Biografien die das Narrativ enden und auch hier über Mythen aufklären.

      Meinst du jetzt welches von den Büchern über Anne Boleyn? Stehe gerade auf dem Schlauch, aber interpretiere es jetzt mal so :D. Falls nicht, melde dich nochmal. Ich kann nämlich zu Anne definitiv "The Life and Deat of Anne Boleyn" von Eric Ives empfehlen, die Biografie ist echt - etwas übertrieben gesagt - meine Bibel, aber tatsächlich auch das Schlüsselwerk, weil er so ein ausgewogenes Bild zeichnet. Er thematisiert Annes Stärken, aber auch Schwächen und nimmt sich die Zeit die Anschuldigungen zu untersuchen und zu wiederlegen. Da steckt viel Arbeit drinnen. Ansonsten ist "The Creation of Anne Boleyn" richtig interessant, da stecken nicht nur viele geschichtliche Fakten drinnen, sondern ein großer Teil dreht sich darum wie Anne in Literatur (auch Biografien), Film und Fernsehen dargestellt wird und wie sich diese Darstellung gewandelt hat bzw. wie es da gesellschaftliche Rückkoppelungen gibt. Das Buch hat dann auch viele Interviews z.B. mit Natalie Dormer oder Michael Hirst, wo sie noch mal erklären, wieso sie bestimmte Darstellungsweisen gewählt haben.

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