3 Bücher, 3 Rezensionen: Niemalswelt, gefangen zwischen Leben und Tod:
Eine Clique findet sich nach einem Autounfall in der Niemalswelt, einem Zustand zwischen Leben und Tod, wieder. Nur einer von ihnen wird am Ende ins Leben zurückkehren, darüber müssen sie am Ende jeder Wache abstimmen. Nur wenn ihr Ergebnis einstimmig ist, endet ihr Aufenthalt in der Niemalswelt. Soweit die Grundprämisse des Sci-Fi/Mystery-Thrillers von Marisha Pressl, in dessen Verlauf zudem auch der Selbstmord eines gemeinsamen Freundes eine größere Rolle spielt. Dies alles sorgt für einen Genremix, bei dem die Autorin treffend die Panik einfängt, die die Gruppe überfällt, als sie mit ihrem Dasein in der Niemalswelt konfrontiert werden. Nachvollziehbar glauben sie erst, dass das Ganze ein makabrer Scherz sei, danach folgen Verdrängung, Verzweiflung, Furcht und Akzeptanz. Generell gehen die Figuren mit ihrer Existenz in der Niemalswelt unterschiedlich um, die Gefühlspalette deckt Wut, Antriebslosigkeit, Gleichgültigkeit, Kampfeswille und Neugierde ab. Die einen geben sich ihrem Schicksal hin, die anderen versuchen daraus auszubrechen oder Schlagen über die Stränge, denn in einer Welt ohne Konsequenzen ist sowieso alles egal. Doch am Ende jeden Tages werden sie immer wieder mit derselen schicksalshaften Frage konfrontiert: Wer von ihnen soll überleben und wieso? Ich finde es schade, dass wir die Abstimmungen nie miterleben und nicht wissen wie die Figuren sich entscheiden. Natürlich wählt am Anfang jeder sich selbst, das wird erwähnt, aber 2-3 Abstimmungen, vor allem die finale Runde, hätte ich schon gerne in voller Länge gelesen. Hier wird Potenzial verschwendet.
Was die Handlungen der Figuren anbelangt, muss immer mal wieder ein Auge zugedrückt werden, da diese öfter überzeichnet und übertrieben sind, jedoch hat dies wiederrum auch einen gewissen Unterhaltungsfaktor und prädestiniert die Serie für eine filmische Umsetzung. Trotz der Fragen rund um Leben und Tod, ist der Schreibstil von "Niemalswelt" humorvoll, voller Anspielungen auf die Popkultur, hier und da fast schon etwas poetisch, sodass ich an vielen Stellen Schmunzeln musste oder Absätze noch einmal gelesen habe. Ein gelungener Kontrast zur düsteren, mysteriösen Atmosphäre. Die Handlung entspinnt sich in einem flotten Tempo, sodass es sich um einen wahren Page-Turner handelt. Das beliebte Stilelement der Zeitschleife wird von Pressl neu interpretiert, weshalb das Buch letztenendes doch aus der Masse hervorsticht. Zwar wiederholt sich ein und derselbe Tag, jedoch sind die Ereignisse immer anders und können von den Charakteren, die sich frei bewegen, beeinflusst werden.
Ganz ohne Stereotypen kommen die Figuren nicht aus, das ist schade, weil dadurch problematische Klischees weiterverbreitet werden. Zum Beispiel ist es mit Whitley mal wieder eine Frauenfigur, die als zickig und zu Wutanfällen neigend dargestellt wird. Gerade mit Blick auf unsere Geschichte (Schlagwort: "hysterische Frauen"), in meinen Augen schwierig und unangebracht. Abseits dessen lassen sich die typischen Jugendbuch-Archetypen finden: Der stille, intelligente, aber auch leicht komische Bücherwurm in Form von Martha, das Hacker-Genie Cannon, Kipling, der sich in der Rolle des Mitläufers wiederfindet oder aber auch das typische Mädchen von Nebenan in Form von Bee, die sich mit ihrem Verhalten bewusst von der Gruppe abgrenzt, um als Sympathieträgerin funktionieren zu können. Während der verstorbene Jim fast schon gottesgleich dargestellt wird, obwohl der Anfang der Beziehung zwischen ihm und Bee ebenso problematisch ist: Übertriebene, romantische Gesten aus einem Rom-Com-Film der 90er Jahre, die damals schon nicht romantisch, sondern peinlich und stalkerhaft anmuteten. Unter geht bei Jim seine negative Seite, wenn nur in ein paar Nebensätzen thematisiert wird, was er Bee angetan hat. Bei der Aufklärung war ich zunächst überrascht, über die platte Auflösung, wurde hier jedoch an der Nase herumgeführt und dann doch noch überrascht. Bei der Frage wer wohl überleben würde, fällt der Spannungsbogen aber flach, das geht dann viel zu schnell und von Anfang an ist klar, wer von den Fünfen ins Leben zurückkehren wird.
Fazit: Eine spannende Prämisse mit Konfliktpotenzial, die die Grundthematik einerseits humorvoll und innovativ umsetzt, sich aber andererseits dann doch wieder in längst überholten Stereotypen und Genreklischees verfängt. Trotzdem: Lesenswert.
3 Bücher, 3 Rezensionen: The Wife Between Us - die Abgründe einer Ehe:
Hier hätte ich mir persönlich eine Triggerwarnung gewünscht, nicht für mich selbst, sondern für all diejenigen, die vielleicht ähnliche Erfahrungen machen mussten. Das Buch behandelt häusliche Gewalt und könnte somit alte Narben aufreißen, sodass ein kleiner Hinweis auf dem Klappentext hilfreich wäre. Abseits dessen habe ich mich ohne viele Vorkenntnisse auf "The Wife Between Us" eingelassen und wurde positiv überrascht. Wir lernen zunächst Vanessa kennen, von der wir im Prolog erfahren, dass sie die Hochzeit ihres Ex-Mannes Richard und ihrer Nachfolgerin Nellie unter allen Umständen verhindern möchte, komme was wolle. Was sich dann entspinnt, scheint eine klassische Obsessions-Geschichte zu werden, bei der die Ex-Frau der neuen, jüngeren Frau auflauert und diese verfolgt. Aber nicht ganz, denn der Roman, der aus zwei Teilen besteht, haut am Ende des ersten Parts eine Wendung heraus, auf die ich niemals gekommen wäre und mich mit offenem Mund zurückließ. Mein einziger Gedanke: "Gut gespielt, liebe Autorinnen. Da habt ihr mich ausgetrickst". Natürlich hatte dies eine positive Auswirkung auf meine Lesemotivation, da ich dann unbedingt wissen musste, wie sich die Ereignisse wohl weiterentwickeln würden. Wer meint, dass danach keine unerwarteten, schockierenden Wendungen mehr folgen, der liegt falsch. Immer wieder werden diese eingestreut und funktionieren überraschend gut.
Dabei sind es nicht nur die Wendungen, die für eine Sogwirkung sorgen, sondern auch der angenehme Schreibstil, durch den das Buch flott zu lesen ist. Den Autorinnen gelingt es die Gefühle der Hauptfigur perfekt einzufangen, aufzuzeigen wie ihr Leben immer trostloser, einsamer und kleiner wird und dies in Kontrast zur glamourösen Welt zu setzen, in der Richard und Vanessa unterwegs sind. "Nicht alles was glänzt, ist schön", passt hier perfekt. Während Richard auf den ersten Blick charmant, hilfsbereit und perfekt erscheint (für mich zu perfekt, da habe ich den Braten förmlich gerochen), bröckelt dieses Bild, je tiefer wir in die Ehe der beiden eintauchen. Hierbei wechseln sich Gegenwart und Vergangenheit ab, sodass sich die Puzzleteile erst nach und nach zusammenfügen. Die Übergänge sind den Autorinnen wunderbar gelungen, sie fügen sich harmonisch in die Geschichte ein, genauso wie die unterschiedlichen erzählerischen Sichtweisen. Atmosphärisch wandelt sich der Roman gegen Ende zu einem Psychothriller, wenn sich Richards dunkle Seite offenbart und wir die Angst, Verzweiflung und den Drahtseilakt auf dem Vanessa balanciert spüren können. Gestört hat mich dabei nur eine Sache, die stereotypische Erklärung, die die Autorinnen für Richards Verhalten liefern, so als würde das etwas an seinen grauenvollen Taten ändern. Nein, tut es nicht.
Fazit: "The Wife Between Us" ist am Ende ganz anders als der Klappentext vermuten lässt und überzeugt mich unerwarteten Wendungen, die zumindest mich sprachlos gemacht haben. Eine Triggerwarnung wäre aber dringend notwendig.
3 Bücher, 3 Rezensionen: Katharina von Aragon, die Lebensgeschichte einer willensstarken Königin:
Mit dem ersten Band der "Tudor Königinnen"-Reihe nimmt sich die Historikerin Alison Weir der ersten Ehefrau von Heinrich VIII. an und lässt uns in 896 Seiten an ihrem emotionalen Leben teilhaben. Besonders schön dabei: Weir, die auch schon mehrere Biografien über die Tudors veröffentlichte, setzt schon vor der Ehe mit Heinrich an und beginnt mit Katharinas Ankunft in England. Dort soll sie Arthur Tudor, den Thronfolgen heiraten. Doch das junge Glück ist nur von kurzer Dauer, denn nur wenige Monate nach der Hochzeit verstirbt Arthur. Für Katharina beginnt eine unsichere Zeit. Zwar wird sie mit Arthurs jüngerem Bruder und neuem Thronerben Heinrich verlobt, doch es wird viele Jahre dauern, bis sie tatsächlich die Rolle als Königin von England übernehmen darf. Ihre Ehe mit Heinrich ist zunächst von Glück geprägt, als Katharina ihm jedoch keinen männlichen Erben schenkt, versucht dieser seine Frau loszuwerden. In meinem Life-Update habe ich schon ein bisschen über den Roman geschwärmt und auch ein paar Kritikpunkte aufgezählt, alles in allem empfinde ich den Auftakt der Reihe jedoch gelungen. Sicherlich wird anhand des Schreibstils deutlich, dass Alison Weir vor allem Sachbücher und Biografien schreibt, aber dies hat mich nicht gestört. So ist die Tonalität stellenweise etwas zu sachlich und emotionslos, Weir hätte den einen oder anderen Abschnitt bzw. Moment gerne noch etwas länger wirken lassen können.
Abseits dessen gelingt es ihr aber die unterschiedlichen Phasen von Katharinas Leben logisch und glaubhaft einzufangen, wie ihre Verzweiflung nach dem Tod von Arthur, wo sie aufgrund ihrer unsicheren Position am Hofe, ihre Diener und Dienerinnen nicht bezahlen kann. Ihre Unwissenheit über die Mätressen von Heinrich und seine beginnende Beziehung zu Anne Boleyn, die dieser lange Zeit vor ihr verbergen konnte. Die Hartnäckigkeit, mit der sie an der Legitimität ihrer Ehe und ihrer Position als Königin von England festhält und damit immer wieder Diener des Hofes beeindruckt, aber auch zum Verzweifeln bringt. Sowie die Isolation am Ende ihres Lebens, wenn sie einsam, mit einer kleinen Belegschaft weit weg vom Hofe stirbt, ohne ihre Tochter gesehen zu haben. Natürlich inkorporiert Weir als Historikerin viele überlieferte Momente, Briefe (die für die Leser und Leserinnen von der Autorin in einfacherer Sprache wiedergegeben wurden), Aussagen oder Reden, was bei mir für viel Freude gesorgt hat, denn genau das wünsche ich mir von historischen Romanen. Wenn schon eine Lebensgeschichte erzählt werden soll, dann bitte richtig. Alles andere macht in meinen Augen keinen Sinn, denn dann wäre eine fiktionale Geschichte die klugere Entscheidung. Obwohl Weir sich an Überlieferungen hält, gibt es abseits dessen genügend Lücken, die kreativ gefüllt werden müssen. Dabei war mir die Romantisierung von Katharinas und Heinrichs Ehejahre - auch wenn diese definitiv lange Zeit glücklich waren - ab und an doch etwas zu viel des Guten und auch nicht jedes foreshadowing auf kommende Ereignisse ist gelungen.
Daneben ist auch die Charakterisierung von Katharina von Aragon stimmig und entspricht dem, was wir von Zeitzeugen wissen. Sie wird als religiöse, hartnäckige, loyale, intelligente Frau beschrieben, die am Anfang ihrer Ehe großen Einfluss auf Heinrich ausübte, diesem auch Contra gab, sich aber in ihrer Rolle als Königin stets tadellos verhielt. Letzteres ist nicht überraschend, denn Katharina wurde von klein auf darauf vorbereitet, dass sie einmal Königin von England sein würde und konnte auch als Regentin in Abwesenheit von Heinrich ihr Geschick als Herrscherin beweisen. Natürlich ist aber auch Katherina nicht ohne Fehler, die auch im Roman zu Tage treten, vor allem ihr Hang zur Dramatik und Übertreibung, der immer wieder durchscheint, aber auch ihre Sturheit, die soweit geht, dass sie selbst das Leben ihrer Tochter opfern würde, um die Annullierung der Ehe zwischen Heinrich und ihr zu verhindern. Die Geschichte selbst meidet dabei viele längst widerlegte Mythen oder Klischees, die leider noch zu oft in den Köpfen der Menschen verankert sind. Ich bin dankbar, dass Margaret Beaufort nicht als machthungrige Intrigantin dargestellt wird, die Beziehung zwischen Katharina und ihrer Schwiegermutter Elisabeth von York harmonisch ist und Katharina nicht für die Fehlgeburten, die sie erleiden musste, verantwortlich gemacht wird.
Die größte Angst hatte ich vor der Darstellung von Anne Boleyn, die auch hier die andere Frau mimt, was im Kontext des Buches, das komplett aus der Sichtweise von Katharina geschildert wird, aber Sinn macht. Wie schon in meinem Life-Journal beschrieben, gibt es überlieferte Passagen, aus denen hervorgeht, dass Katharina nicht Heinrich, sondern Anne für das Aus ihrer Ehe verantwortlich macht. Nicht umsonst hat sie sie als nichts weiter als "the Scandal of Christendom" bezeichnet, während ihre engster Vertrauter Chapuy Anne lediglich als "Concubine, said Lady" oder "Whore" adressierte. Da Chapuy am Ende ihres Lebens ihre einzige Informationskanal über die Vorgänge am Hof war, machen die Gedankengänge über Anne und die Schuldzuweisung Sinn. Ich hoffe nur, dass mit Band 2, wo dann die andere Seite der Geschichte gezeigt wird, deutlich wird, dass das sogenannte "Great Matter" eine überaus komplexe Angelegenheit war, an der vor allem Heinrich die Schuld trug.
Fazit: Wer gerne einen historischen Roman lesen möchte, der sich stark an historischen Ereignissen orientiert, und ein glaubhaftes, in sich stimmiges Bild einer beeindruckenden Frau mit all ihren Stärken und Schwächen zeichnet, macht mit "Katharina von Aragon" nichts falsch. Für Tudor-Fans ist die Reihe sowieso Pflichtlektüre. Ich empfand den Wälzer trotz seiner vielen Seiten angenehm zu lesen und konnte ihn kaum aus der Hand legen.
Anmerkung: Die Bücher befinden sich im Programm nachfolgender Verlage, die natürlich auch das Urheberrecht am gezeigten Cover besitzen:
Niemalswelt: Carlsen Verlag
The Wife Between Us - Wer ist sie wirklich?: Rowohlt Verlag
Katharina von Aragaon - Die wahre Königin: Ullstein Taschenbuch
Hi Nicole, "The Wife between us" hört sich spannend an, auch weil die Protagonistin einen schönen Vornamen hat :)
AntwortenLöschenWerde ich mir auf die Liste packen!
Liebe Grüße!
Dankeschön für dein liebes Kommentar Vanessa,
Löschenhaha ja das dachte ich mir auch, wie toll ihr Name ist :P. Als Namensvetterin bist du ja eigentlich verpflichtet das Buch zu lesen, gibt da bestimmt eine unausgesprochene Regel :P.
Kann es aber tatsächlich empfehlen, wenn einem das Thema häusliche Gewalt nicht triggert.
Niemalswelt habe ich jetzt auch gelesen :) Einerseits spannend und ein echter Page-Turner, andererseits aber auch irgendwie so überdramatisch und so wie die Erzählerin Jim vergöttert hat, ist das ja auch nicht mehr ganz gesund ;)
AntwortenLöschenDann sind wir da aber einer Meinung, weil die Vergötterung von Jim fand ich auch grenzwertig und unangebrecht :/. Over-the-top und dramatisch ist das Buch definitiv, aber gerade deshalb wäre das glaube ich eine gute Teenie-Verfilmung :D. Das Konzept ist in meinen Augen nach wie vor genial, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass man uns auch etwas mehr an den Abstimmungen hätte teilhaben lassen. 2-3 Mal, vor allem die finale Abstimmung, hätte man schon mal einfließen lassen können, um zu sehen, wie sich das Verhalten da ändert und wieso.
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